Ein an sich unbedeutendes Objekt

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Am 15.02.2003 erschien in der Pommerschen Zeitung der Artikel über die steinerne Brücke von Karnkewitz im Kreis Schlawe. Eine Episode aus dem Jahre 1782 von Dr. Ulrich Neitzel.

Im Jahre 1782 entstand eine steinerne Brücke von Karnkewitz

Man hatte jahrhundertelang die Brücken im Kreise Schlawe aus Holz gebaut und damit gute Erfahrungen gemacht. Einen wesentlichen Nachteil haben derartige Brücken allerdings: sie halten nicht ewig, denn Holz ist schließlich dem biologischen Abbau und dem natürlichen Verschleiß unterworfen. Beispiel einer solchen Brücke war die über die Wipper bei der Burg Altschlawe, gebaut noch vor der Gründung der Stadt Schlawe 1317, als derzeitig wichtigsten Übergang; oder die über die Grabow bei Malchow, wobei es zu den uralten Pflichten des Schulzen von Malchow gehörte, für einen guten Zustand zu sorgen. Irgendwann einmal musste wohl jemand auf den Gedanken kommen, auch im Kreis Schlawe ein anderes Material zu verwenden als Holz. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstand eine Brücke aus Stein beim Dorfe Karnkewitz im Kreis Schlawe.

Vorangegangen waren die Bemühungen, den Karnkewitzer See abzulassen, um an dieser Stelle Wiesen und Ackerland zu gewinnen und dort ein neues Ackerwerk zu gründen. Dieses geschah auf Betreiben des preußischen Staates und insbesondere eines Herrn von Brenkenhof (siehe dazu K. Rosenow: Abtshagen im Rügenwalder Amt; aus: Ostpommersche Heimat – Beilage zur Schlawer Zeitung, Nr. 16, 1935, 3. Fortsetzung), von dem noch eingehender die Rede sein wird. Dazu grub man einen Kanal nach Süden, den Seegraben, um den Fluss Pöllnitz bei Zitzmin zu erreichen. Das bedeutete gleichzeitig, dass die Hauptstraße von Köslin nach Schlawe unterquert werden musste (vgl. Karte). Das geschah irgendwann um 1774. Hier also entstand die steinerne Brücke von Karnkewitz. Es musste aber wohl irgendetwas Besonderes, ja Sensationelles geschehen, damit diese Brücke auch aktenkundig wurde, handelte es sich doch vergleichsweise um ein recht unbedeutendes Objekt. Über diese steinerne Brücke erfahren wir erstmals etwas aus den Akten des Geheimen Staatsarchivs in Berlin (Signatur HA II Pommern, Tit. LV, Sektion 3, Nr. 11).

Am 1.8.1782 wandte sich das Königliche Preußische Postamt in Cöslin (ein Herr Lüdemann) in einem Brief an den König und das Cammer Deputierten Collegium mit der Schreckensmeldung: die Brücke bei Karnkewitz ist eingestürzt und „der Weg auf der Landstraße nach Preußen unpassabel“. Im Detail heißt es wörtlich: „es ist die letzte Post bei Umweg durchs Mohr in eine sumpfigte Stelle versunken, so daß sie mit vieler Mühe und Versäumniß kaum wieder herausgebracht worden“. Es handelte sich immerhin um die Hauptverbindung zwischen Berlin, Stettin, Danzig und Königsberg. In der Folge stellte sich heraus, dass diese Brücke nicht zum ersten Mal zusammengebrochen war. Am 12.6.1782 war sie schon „abermals“ eingefallen, denn bereits im Jahre 1777 war dies schon zweimal geschehen. In einem Dokument der Domänenkammer (Unterschrift: Alberti) vom 19.6.1782 heißt es: „die Brücke scheint wohl wegen ihrer Größe von Feldsteinen nicht stehen zu wollen“, was in dieser Ausdrucksweise einer gewissen Komik nicht entbehrt. Diese setzt sich sogar fort, denn nun befassen sich die Behörden sehr gründlich und ausdauernd mit diesem Fall. In der Notiz vom 22.9.1782 erfahren wir Genaueres: die Brücke habe „nach einer Methode die hier nicht bekannt, vom sächsischen Maurer Kieshauer vom Baudepartement, das Widerlager in Feldsteinen und Kalk und der Bogen aus Mauersteinen gemauert werden müssen; 35 Fuß lang und 15 Fuß breit; – nun aus Holz!“ Man deutet hier bereits an, dass wohl von höherer Warte etwas vorgeschrieben worden sei und man die Reparatur wieder als Holzbrücke ausgeführt habe. Am 22.10.1782 reagiert die Obrigkeit, in einem Brief des Königs über den Herrn von Blumenthal an die Königl. Hochlöbliche Kriegs und Domänen Cammer, und ordnet an: „den Bau-Bedienten, welcher die Brücke gebauet hat, nach vorheriger Rücksprache mit dem Geheimen Finantz Rath Schütz, zur Verantwortung zu ziehen, und über dessen Bestrafung zu berichten …“. Jetzt wird also von der Obrigkeit ein Schuldiger gesucht! Den vermeintlichen Täter hat man bald in dem Vermesser Tietz gefunden; aber der zieht sich recht gewandt (wenn auch mit leicht ungewollter Komik) aus der Affäre; und er findet bemerkenswerterweise die beste Lösung: Tietz junior schreibt am 26.2.1783: „… die Aufsicht über den Brückenbau habe ich gehabt, bei meiner Abnahme so auch selbst der selige Geheime Finantz Rath Brenkenhof mit bey gewohnt hat, stand die Brücke recht sehr gut, und würde gewiß noch lange gestanden haben, wenn nicht der entsetzliche Regen, so einem Wolkenbruch gleich sämtliche Erde von den Seitenmauern weggerissen und so die Brücke zum Einsturtz gebracht hätte, als wovor keiner respondieren kann, wenn solche Unglücksfälle vorkommen, da durch die Wasserfluthen wohl mehrerer Schaden geschehen ist. Ich hoffe also, daß man hierin keine Last wird beylegen können.“ Darauf schreibt der Domänen Rath Alberti am 12.3.1783, dass man Tietz nichts zu Last legen könnte, da er auf Anweisung gearbeitet habe. Es gäbe übrigens bei Casimirsburg (bei Köslin) drei weitere Brücken dieser Art. Der Maurer Kieshauer wird hierbei übrigens als „Maurermeister“ tituliert und damit in der Hierarchie höher angesiedelt.

Bei der Weitergabe des Berichts durch den Geheimen Finantz Rath Schütz in Stettin an den König am 23.3.1783 heißt es: „… der Vermesser Tietz wollte in Holtz bauen, aber der verstorbene Finantz Rath von Brenkenhof hat verfügt, daß Maurer Kieshauer in Stein ausführen soll…“. Es folgen 14 Unterschriften, womit diesem Schriftstück wohl ein entscheidendes Gewicht verliehen werden sollte. Man hatte einen Verantwortlichen gefunden, der aber inzwischen bereits verstorben war; und damit hat diese Begebenheiten wohl zu aller Zufriedenheit ein glückliches Ende gefunden. Die erforderlichen 98 Taler wurden aus dem Wegeverbesserungsfond bezahlt.

Es braucht eigentlich nicht besonders erwähnt zu werden, dass das Errichten von selbsttragenden Gewölben hier seit Jahrhunderten bekannt war, wie die zahlreichen Kirchen bezeugen. Aber man wusste natürlich auch, dass man dazu unbedingt einen festen Untergrund brauchte. Wie hat die Brücke eigentlich später ausgesehen? Es scheint darüber keine Bilder zu geben. Aber irgendwann hat eine radikale Änderung stattgefunden! Ein ehemaliger Einwohner von Karnkewitz weiß zu berichten, dass die Brücke schon vor 1945 durch große Zementrohre ersetzt worden ist. Später hat man den gesamten Seegraben verrohrt und zugeschüttet, sich aber offenbar bei Überschwemmungen neue Probleme eingehandelt. Weitere Informationen über die Geschichte des Dorfes Karnkewitz sind übrigens in diesem Jahr als Buch erschienen: Karnkewitz – Dorfchronik aus dem pommerschen Kreis Schlawe. Autor: Horst Klemp, Ardeyweg 18, 58093 Hagen, Telefon: 02331/54794.

Dr. Ulrich Neitzel